Verena Raupach                     Ein Lied

* 1943

VerRaupach@aol.com

Ich wußte plötzlich was mir schmerzlich fehlte

ein kleines Lied nur, nur ein kleines Lied

das sich mit passioniertem Schmerz vermählte

und ständig nun in meinem Herzen zieht

 

es war die Stimme die ich fast vergessen

des Einen, den ich einst so sehr begehrt

nun bin ich wieder ganz und gar besessen

und werde just aufs Neue aufgezehrt

 

oh kleiner Seufzer der mich zittern machte

das dunkles Timbre wie ein Cembalo

das sich alsbald in mir verhundertfachte

 

in meiner Seele haust inkognito

seitdem des Nachts in Fieberträumen schmachte

der Stimme lausche pianissimo

 

 

 

 

 

 

 

 

Verena Raupach                     Jambische Tränen

* 1943

VerRaupach@aol.com

Auf alten morschen Bäumen wachsen Pilze

und blau-azurn des Himmels blanke Fülle

verrückte Wolken wie gefärbte Sülze

der Glaube würgt die Zweifel in die Gülle.

 

Auf spitzen Dächern schaufeln rohe Hände

die Ziegelsteine in gefügte Bahnen

vergeblich Mühn - durch grüne Efeuwände

ersteigt der Sonnenball in goldnen Fahnen.

 

Und leise bauscht der Wind Gardinenfetzen

er tritt mit zarter Pfote auf die Schwellen

dieweil die Stunden blanke Messer wetzen

 

wenn Abendschatten über Mauern quellen

versuche ich das Leben fortzusetzen

und schöne Jamben auf die Beine stellen

 

 

 

 

 

 

 

 

Verena Raupach                     Lächeln

* 1943

VerRaupach@aol.com

Ach kleiner Junge der mir zugelächelt

im Zwielicht des Beginns und ohne Sünde

war mir als ob ein Engel bei ihm stünde

der ihn mit großen Flügeln sanft befächelt

 

Das Lächeln kam aus unbekannten Tiefen

aus der Gewißheit, die die Namen kennt

der Toten, die seit damals nach mir riefen

und jene Worte flüsterten latent

 

die ich verlangte, die ich heiß ersehnte

die mir die Mutter einst  hat vorgesprochen

und als der Morgen sich ins Fenster lehnte

 

da war ein neues Leben angebrochen

ein kleiner Junge, den ich lächeln wähnte

und dessen Augen strahlten ungebrochen

 

 

 

 

 

 

 

 

Verena Raupach                     Scheidung

* 1943

VerRaupach@aol.com

Ich bleibe nicht in dieser Daseinslücke

denn ich entziehe mich der Wohn -Tortur

und stammele in fader Kurparktücke

im Hitzerausch drei kargen Worte nur.

 

Du kennst sie nicht und wirst sie niemals kennen

schau in den Krug der weiß am Brunnen schimmert

in seine Tiefe darfst du täglich flennen

wenn sanft die Katze unter Büschen wimmert.

 

Und wenn die Pilze ihre Nahrung kriegen

gefällte Bäume fressen ohne Reue

wirst du dein kahles Haupt in Händen wiegen

 

und denken: Ach, sie kannte keine Treue.

mit welchem Mann wird sie zusammenliegen

mit wem sich heute paaren wie die Säue

 

 

 

 

 

 

 

Verena Raupach                     Vergebliche Mühe

* 1943

VerRaupach@aol.com

ich kann nicht dichten oh ihr müßt`s mir glauben

kann kein Sonett, kein Metrum keinen Reim

ich werde euch die letzten Nerven rauben

oh glaubt es doch,  geht mir nicht auf den Leim

 

Das Metrum ist das Trommeln unsrer Sprache

die Strophe ist die Rüstung des Gedichts

doch rhythmisch-musikalisch ist nur Brache

ich bin so dumm, doch davon ahnt ihr nichts

 

und dennoch: Ich versuch es immer wieder

denn ein Gedicht ist alles oder nichts

und wie der Mond geht ewig auf und nieder

 

sich transformiert und auch nicht angesichts

der Sonne je verzagt die ihm zuwider

erprob ich`s auch, obwohl ein Habenichts